Fragen an Dr. Sybs Bauer

Nachhaltigkeit und Beratung

Nachhaltigkeit. Was wird gefordert? Wie kann es lebendig werden? Und wieso ist Industrie-Design als Beratungskompetenz wichtig?

Fragen an Dr. Sybs Bauer

 

Dr. Sybs Bauer, zunächst eine Frage zu Ihrer Vergangenheit: Haben Sie sich schon immer mit Nachhaltigkeits- und Kommunikationsthemen beschäftigt?

Ich komme aus einer Ausbildung, in der es das Wort Nachhaltigkeit noch nicht gab, wohl aber das Denken dahinter: Gutes Design sollte langlebig und reparaturfreundlich sein, die Trennung der Materialien bei der Entsorgung war selbstverständlich. Gleichzeitig verlangte ästhetisches Design schon immer einen reduzierten Materialeinsatz und eine effektive Produktion. Diese Einstellung habe ich bis heute beibehalten. Hinzu kam, dass ich als Frau in einer Männerdomäne im Berufsalltag oft mit unüberwindbaren Vorurteilen zu kämpfen hatte, was mich schon früh zum Thema Kommunikation und Psychologie führte. Und der dritte Aspekt ist meine Dissertation, die sich mit den natürlichen Prinzipien der Entwicklung beschäftigt. So verbinde ich drei verschiedene Bereiche, nämlich das Design, also die funktionale Ästhetik, die Psychologie, also den Menschen, und die Natur in ihrer Gesamtheit.

 

Wie sind Sie als Designerin zur Beratung gekommen?
Als Industriedesignerin, so viel Zeit muss sein. Warum ist das wichtig? Industrie Design ist Problemlösungskompetenz, ist die transformative Kraft, agiert als Brückenbauer und visualisiert Werte mit einem hohen Maß an Ästhetik! Gleichzeitig reduziert gutes Industriedesign den Materialeinsatz, vereinfacht Prozesse und ist Bindeglied zwischen Mensch, Technik und Natur. Also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ich bin von Berufs wegen neugierig und entwerfe Visionen für die Zukunft. Aber zurück zur Frage. Der ganzheitliche Blick auf die Marke eines produzierenden Unternehmens ist intern meist nicht vorhanden. Und im Gegensatz zu klassischen Unternehmensberatungen oder Agenturen verstehe ich die Produktentwicklung. Vor allem aber verstehe ich die kreativen Prozesse für Innovationen. Für mich die wichtigste Komponente für die Herausforderungen der Zukunft. Gepaart mit einer großen Portion Kreativität und dem oben genannten Dreiklang kann ich Unternehmen schnell und flexibel beraten und begleiten.

 

Sie begleiten Transformationsprozesse, die die Ausrichtung von Unternehmen und Organisationen verändern. Wie gehen Sie dabei vor?
In Ihrer Frage klingt das sehr groß. Das Wichtigste für mich ist, mich zu 100 % auf das Unternehmen einzulassen. Ich muss seine Herausforderungen verstehen, aber auch seine Chancen sehen! Und das muss in der Regel schnell gehen. Daraus ergibt sich die Vorgehensweise, die mit dem Management abgestimmt wird. Mein erster Ansatz ist, keine Standardmethode anzuwenden, denn jedes Unternehmen ist anders. Warum? Jede Methode, ob agil oder nicht, ist nur dann von Erfolg gekrönt, wenn die Teilnehmer*innen mitmachen!
Deshalb ist es wichtig, die verschiedenen Bereiche, die oft im Clinch liegen, zu verbinden, bridging gaps, nenne ich das. Hier Blockaden aufzulösen und Komplexität zu vereinfachen, sehe ich als Teil meiner Aufgabe. Dann kann der Kern des Gemeinsamen freigelegt und gemeinsam definiert werden. Erst dann können wir uns alle in die gleiche Richtung bewegen – und ins Handeln kommen.

 

Wie gestalten Sie den Prozess der Themen- und Ideenfindung in Unternehmen?
Das Wichtigste ist, einen Möglichkeitsraum zu schaffen. Das heißt Freiheit und Vertrauen. Erst dann können Ideen entstehen. Meine Beteiligung besteht vor allem darin, Fragen zu stellen. Fragen, die noch nie gestellt worden sind. Das Hinterfragen von alltäglichen Konditionierungen. Und mich ganz auf das Team und die Situation einzulassen.

 

Was fällt Ihnen zuerst zum Thema Nachhaltigkeit ein?
Gleich mehrere Aspekte: Die Natur und ihre 100%ige Wiederverwertbarkeit. Selbstverantwortung, Entscheidungsfindung und Beziehungsmanagement. Und das Jetzt, in dem die freie, natürliche Kreativität zu Hause ist. Kurz: eine Transformation unseres Denkens, die wir so dringend brauchen.

 

Lohnt es sich für Unternehmen, in Nachhaltigkeit zu investieren?
Auf jeden Fall. Auch wenn es im Moment schwierig erscheint und finanzielle Mittel erfordert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Unternehmen mit dem Thema Natur auseinandersetzen muss. Warum also nicht jetzt? Jetzt ist immer der richtige Zeitpunkt!

 

Wo glauben Sie, sich als Beraterin in puncto Nachhaltigkeit profilieren zu können bzw. zu müssen?
Nachhaltigkeit und die Förderung der Biodiversität sind und müssen immer mehr zur Normalität werden, wenn die Menschheit überleben will. Es geht nicht nur um Vermeidung, z.B. den eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sondern auch um Schaffung. Mit anderen Worten: Abfall ist nicht mehr Abfall, sondern Material für Neues, wie es die Kreislaufwirtschaft fordert. Das alles geht aber nur, wenn wir verstehen, dass die wirklich große Transformation in uns selbst stattfindet, damit sie sich im Außen manifestieren kann. Das beginnt damit, dass wir uns als Teil der Natur erleben und verstehen, dass die Wunden der Natur unsere Wunden sind. Es ist an der Zeit, dass wir von unserem hohen Thron als Krönung der Schöpfung herabsteigen.

 

Inwieweit trifft Ihr Beratungsansatz ‚formatio naturalis‘ auf Ihr eigenes Leben zu?
Äußerlich habe ich vieles davon immer als selbstverständlich erlebt. Meine Eltern waren noch Kriegskinder, das heißt, Überfluss und Wegwerfen gab es bei uns nicht. Zum Beispiel wurden Papier und Eisenteile akribisch gesammelt und wiederverwertet. Außerdem habe ich immer vegetarisch gegessen (damals ein Affront). Seit über 23 Jahren habe ich kein Auto mehr. Ich bin auch viel mit meinem Hund in Wald und Wiesen unterwegs. Aber wirklich wichtig ist, dass ich mich vor vielen Jahren auf die innere Transformation eingelassen habe – das ist ein ständiger Prozess, nicht immer einfach, aber sehr bereichernd! Wer einmal das Gefühl hatte, mit der Natur zu verschmelzen, erkennt die unglaubliche freudvolle Kraft und versteht, was es bedeutet, Teil eines Ganzen zu sein.

 

Hat sich in Ihrem Nachhaltigkeitsbestreben über die Jahre etwas geändert?
Viele Jahre lang sind meine Vorschläge ins Leere gelaufen. So einfache Dinge wie die Produktion mit umweltfreundlichen Materialien wurden in den Unternehmen gar nicht diskutiert. Interne Strukturen verhinderten oft die Möglichkeiten. In der Werkstoffwelt hat sich viel geändert und es wird sich noch mehr ändern (müssen). Das stimmt mich sehr, sehr optimistisch! Die internen Strukturen und die Kultur zu verbessern, liegt mir sehr am Herzen, denn sie sind entscheidend für den so wichtigen kreativen Output – und für die Unternehmensmarke als Ganzes! Daher wünsche ich mir, dass mein Buch ‚formatio naturalis‘ den einen oder anderen (vor allem Führungskräfte) anregt, tiefer in eine innere Transformation einzutauchen. Und das begleite ich sehr gerne. Denn es geht um ’s Ganze!
Denn in jedem von uns steckt so viel Potenzial, das entdeckt werden will.

 

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