Hannover Messe 2024

Hannover Messe – ein persönlicher Rückblick

Es ist eine geraume Zeit vergangen, seit meinem letzten Besuch. Wann genau kann ich nicht mehr sagen, da ich das Gefühl habe, die Pandemie teilt die Zeit nur noch simpel in ein „davor“ und „danach“ ein. Dies hat allerdings auch einen Vorteil: ich besuche die Hannover Messe ohne Erwartungen.

Überraschung

In der ersten Halle erfolgt meine erste Überraschung: Ein Wasserstoff-Hype! Wasserstoff wird als Energie propagiert, bis hin zum „grünen Stahl“. Letzterer wird gemäß der Definition aus Altstahl und grüner Energie gewonnen, wobei der Wasserstoff mittels einer speziellen Elektrolyse bedarfsgerecht gestaltet werden soll. Es handelt sich hierbei um Angebote, sowohl großer Firmen als auch Start-ups, wobei die letztgenannten u.a. zur etablierten Öl- und Gasindustrie gehören.

Im Anschluss folgt eine weitere Überraschung: Die Zukunft ist elektrisch, so die Devise (Zvei). Eine zu 100 % vernetzte Elektrifizierung mit vollständiger Digitalisierung ist die Zukunft – selbstverständlich unter Verwendung grüner Energie. (Die Rechenzentren, die hierfür erforderlich werden, bilden dann die neuen Stadtmauern um unsere Städte?) Lösungen für energiepositive Gebäude, für die Speicherung von Energie sowie Gleichstromtechnik werden präsentiert. Ob und wie ist die Vision sinnvoll, menschlich oder natürlich?

Industrie und Politik

Die einzige Ministerin für Digitalisierung in Deutschland (Hessen), Prof. Dr. Kristina Sinemus, die u.a. Anschubfinanzierung für die regionale digitale Transformation und KI-Strukturen bietet, diskutierte mit mit Rainer Brehm, CEO Factory Automation bei Siemens. Als Förderbeispiel nannte Sinemus eine Metzgermeisterin, die digital jetzt den Reifegrad ihrer Wurst erkennen kann. (Ob das ein sinnvoller Einsatz digitaler Technologien ist?) Im Gespräch wurden jedoch klare und offene Worte gesprochen. Brehm stellte fest, dass die deutsche Industrie nach wie vor eine Denkindustrie ist (der Journalist Wolf Lotter nennt es Wissensindustrie), jedoch die Forschungsergebnisse nicht auf den Markt bringt und stellt fest, dass der Mittelstand mit dem AI-ACT (KI-Gesetz) der EU auf der Strecke bleiben wird. Und Sinemus forderte, dass die Länder endlich politisch zusammenarbeiten sollten, statt weiterhin in Konkurrenz zueinander zu gehen. Ein wunderbarer Wunsch!

Digitalisierung, Nachhaltigkeit und KI

Die Gleichsetzung von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und KI wird häufig vorgenommen, wobei auch betont wird, dass die Königsdisziplin die Nutzung der Daten sein wird. Diesem Verständnis möchte ich widersprechen, da die Interpretation der Daten an erster Stelle stehen sollte und erst dann die Nutzung zu folgten hat. Selbstverständlich stand KI im Fokus der Betrachtung, wobei jedoch immer wieder betont wurde, dass KI nicht als intelligent zu bezeichnen sei. Den Fokus auf die Trainerdaten zu lenken und hier mit unsichtbaren Elementen zu arbeiten ist daher nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Nur qualitative Daten bringen qualitative Ergebnisse.

Biomechatronic

Festo ist bekannt für die Integration biologischer Aspekte und  faszinierte u.a. durch einen Algenreaktor, einem Energietransport über Bakterien sowie einem der Biene nachempfundene Fluggerät, bei einer Länge von ca. 30 cm  mit einem Gewicht von lediglich drei Gramm. (In der offiziellen Rückschau* zu sehen) Von besonderem Interesse ist, dass FESTO aktiv an dem Aufbau eines neuen Studiengangs mit der Hochschule Reutlingen beteiligt ist: Bio-Mechatronic. Eine Vereinigung der Biologie und der Mechatronic, die ebenfalls schon eine Vereinigung zweier Fachbereiche ist.

Automation

Die Hallen der Automation scheinen sich selbst vermehrt zu haben. Dies ist jedoch nicht verwunderlich. Erstaunlich ist hingegen der monumentale Messebau, der die Hallendecke anstrebt, in einer visuellen Tonierung „I am the Greatest“. Es scheint, dass die großen Player, wie beispielsweise Siemens, die gesamte Halle ein- oder übernehmen wollen. Umso erfreulicher, dass mittendrin eine junge Firma Controllino aus Österreich steht, die auf einen Messebau verzichtet – Gerüste und Paletten tun’s auch, und das ersparte Geld fließt in Stipendien.

Partnerland Norwegen

Die Eröffnung des Messeabends beim Partnerland Norwegen erfolgte durch den Vorsitzenden des Vorstands der Hannover Messe, Dr. Jochen Köckler, der seit 25 Jahren die Geschicke der Messe verantwortet. Die spannendsten Worte an diesem Abend fand der Wirtschaftsphilosophen Anders Indset, der sich für ein „Neu- und Wiederentdeckung des Denkens“ einsetzt und wiederholte, dass Deutschland viel kann, es jedoch an der Umsetzung in die Marktfähigkeit fehle. Er plädierte für die norwegische Haltung „Dugnad” (seine Übersetzung: Ehrenamt ohne Ehre und ohne Amt).

Fazit

Die klassische Maschinenbauindustrie fehlt. Automation ist alles. Größer, höher und schneller ist (leider) immer noch die Devise. Es gab viel Raum für Vorträge und Diskussionen – eine wunderbare Pause für die Füße bei inhaltlich-spannenden Inputs.

After Show Report der Hannover Messe
* offizieller Rückblick der Hannover Messe
Titelbild: eigenes Foto Ausschnitt Messestand Festo

 

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner