was ist dienen?

Die Kunst des Dienens: Eine philosophische Betrachtung

Gewidmet: Ines Katrin Hinz

Dieser Blogeintrag entstand nach einem Schlagabtausch auf linkedin mit meiner Kollegin Ines Katrin Hinz. Der Grund: Ich habe uns Designer:innen als Dienstleister:innen bezeichnet. Ihr Verständnis vom Dienen stand meinem diametral entgegen. Bleibt die Frage, was heißt dienen?

Was ist dienen?

Es stellt sich also die Frage: Wie soll dienen verstanden werden? Reicht ein Blick in den Duden? Da steht etwas von abhängiger Stellung [gegen Lohn, Gehalt] bestimmte Pflichten erfüllen, bestimmte Arbeiten verrichten, jemandem dienen, in jemandes Dienst stehen und „dem König, dem Staat treu dienen“. Natürlich fehlt auch der Militärdienst nicht. Aus etymologischer Sicht sieht die Welt schon etwas anders aus: „(jemandem) zu Hilfe kommen (passiv), (sich) nützlich machen (für), (etwas) dienen, fördern, gut tun, nützen …“.
Die Ablehnung der dienenden Haltung ist durchaus verständlich. In Abhängigkeit und Pflichterfüllung schwingen Unterordnung und Unfreiheit leise oder laut (je nach Leser*in) mit. Und wir alle kennen Staatsdiener, die mehr verwalten als gestalten, oder die militärische Hierarchie, die in Unternehmen allzu oft anzutreffen ist. Rücksichtslosigkeit, Tyrannei und Angst können sich im Verständnis des Dienens leicht einschleichen. Doch ist das tatsächlich dienen oder doch eher ein diktatorisches Herrschen?

Für mich hat das Dienen nichts mit Unterordnung oder Unfreiheit zu tun, sondern hat eine tiefe Bedeutung, die in der Gesellschaft oft unterschätzt wird. In einer Welt, die oft von Egoismus und Eigennutz geprägt ist, ist die Kunst des Dienens ein leuchtendes Beispiel für Großzügigkeit, Empathie und den Wunsch, Gutes zu tun. (siehe Definition aus dem Wörterbuch)

Dienen in der Philosophie

In der Philosophie finden sich verschiedene Perspektiven des Dienens. Eine davon ist die Idee des Dienens als moralische Pflicht. Immanuel Kant betonte die Bedeutung der Pflichterfüllung gegenüber anderen Menschen. Nach Kant sollte man nicht nur aus Neigung handeln, sondern auch aus dem Bewusstsein heraus, dass es moralisch richtig ist, anderen zu dienen. Dienen ist für Kant eine Form der Anerkennung der Würde und des Wertes jedes Einzelnen. Ich würde gerne noch das Lebendige in seiner Gesamtheit hier anfügen, was in seinen Schriften durchaus auch heraus lesbar ist. (übrigens gibt es zu seinem 300. Geburtstag einen wunderbaren Film Kant, das Experiment der Freiheit auf arte)

Eine andere Perspektive stammt von Aristoteles, der das Dienen als Teil eines tugendhaften Lebens betrachtete. Für Aristoteles ist Tugendhaftigkeit ein zentraler Bestandteil eines erfüllten Lebens, und Dienen ist eine Manifestation dieser Tugendhaftigkeit. Durch das Dienen entwickeln wir Mitgefühl, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit, die für ein gutes Leben unerlässlich sind.

Eine modernere Sicht des Dienens stammt von Philosophen wie Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre. Sie betonen die Bedeutung des Dienens als Ausdruck von Authentizität und Selbstausdruck. Für sie ist Dienen nicht nur eine Handlung gegenüber anderen, sondern auch ein Weg, unsere eigene Existenz und unseren Platz in der Welt zu verstehen. Indem wir anderen dienen, erkennen wir unsere Verbundenheit mit ihnen und mit der Welt um uns herum.
Genau diese Verbundenheit mit anderen und der Welt, also der Natur, ist notwendig, um nachhaltige Lösungen für den Schutz der Biodiversität und unser Natur zu finden.

Dienen in der Religion

Es gibt auch religiöse Perspektiven des Dienens, die in vielen Traditionen eine zentrale Rolle spielen. Im Christentum zum Beispiel ist das Konzept des Dienens durch die Lehren von Jesus Christus geprägt, der selbst als Diener aller dargestellt wird. Im Buddhismus ist das Dienen ein wesentlicher Bestandteil des Pfades zur Erleuchtung, da es die Entwicklung von Mitgefühl und altruistischem Handeln fördert – ähnlich wie Aristoteles. Aber schon im dem chinesisches Weisheitsbuch, I Ging (Buch der Wandlungen), welches ca. 3. Jahrtausend v. Chr. geschrien wurde können wir über das Dienen lesen:

 

Durch Dienen zu herrschen, ist das Geheimnis des Erfolgs.
Wahres Herrschen ist Dienen.*

 

Die Kunst des Dienens

Unabhängig von der philosophischen oder religiösen Perspektive ist Dienen eine universelle Tugend von hohem Wert. Sie fordert uns auf, über unsere eigenen Bedürfnisse hinaus zum Wohle anderer zu handeln. Indem wir anderen dienen, stärken wir nicht nur die Bindungen innerhalb unserer Gemeinschaften, sondern tragen auch zum Aufbau einer Welt des Mitgefühls und der Solidarität bei.

Die Kunst des Dienens erfordert jedoch mehr als nur gute Absichten. Sie erfordert Geduld, Hingabe und die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen. Sie erfordert auch ein tiefes Einfühlungsvermögen, um die Bedürfnisse anderer zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.

Aber der Lohn des Dienens ist immens – nicht nur für die, denen wir dienen, sondern auch für uns selbst.

In einer Zeit, in der Egoismus und Individualismus oft vorherrschen, ist es wichtiger denn je, die Bedeutung des Dienens zu erkennen und zu schätzen. Indem wir uns dem Dienst am Nächsten widmen, können wir einen positiven Einfluss auf die Welt ausüben und ein erfüllteres und sinnvolleres Leben führen.

Denn letztlich liegt in der Kunst des Dienens die Essenz dessen, was es bedeutet, ein wahrer Mensch zu sein. Und auch ohne religiös zu sein, ist das Zitat aus dem Matthäus Evangelium (#Mt 6,24) gerade wert erinnert zu werden:

 

Niemand kann zwei Herren dienen:
Entweder er wird den einen hassen und den anderen lieben,
oder er wird an dem einen hängen und den anderen verachten.
Ihr könnt nicht Gott
[dem Leben in seiner Gesamtheit, Anm. der Autorin] dienen und dem Mammon.*

 

In diesem Sinne dient meine Kreativität, meine Expertise und meine Neugier der Natur, den Menschen und den Auftraggebern. Und mein Verdienst dient mir, weitere Projekte, wie z. B. mein Buch formatio naturalis, anzugehen und umzusetzen, was wiederum allen  wissbegierigen Leser:innen dient. Somit ist allen gedient!

 

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