kreativer prozess

Was passiert eigentlich

im kreativen Prozess?

Immer wieder werde ich gefragt, wie ich zu Ideen komme und wie der Start eines Projekts aussieht. Mit meiner Antwort ernte ich erstaunte Blicke, denn ich fordere fast gierig alle Unterlagen zum anstehenden Projekt ein und will mich tief in die Firmengeschichte beamen.

Unsichtbar

Was parallel alles passiert ist vielen Kreativen wohl bekannt – und Auftraggebern oft fremd. Alle möglichen Gedanken, Ideen, Assoziationen, Materialien, Farben werden im Skizzenbuch, welches immer in der Nähe liegt, gesammelt. Ob ich mich dabei von anderen Produkten, der Kunst oder der Natur inspirieren lasse, ist unerheblich, ebenso wie die Frage, ob sie für das gewünschte Ergebnis von Nutzen sein werden. Auch wenn ich zugebe, dass die Natur bei mir einen sehr großen Raum einnimmt. Das Skizzieren ist wie eine Kommunikation mit dem zukünftigen Ergebnis. Manchmal antwortet es, dann bleibe ich länger an einem Gekritzel und markiere es zusätzlich. Jeder Strich auf dem Papier, so einfach er auch sein mag, ist ein Anfang. Und gleichzeitig steht jeder Strich, jede Skizze, jede Idee noch völlig gleichberechtigt neben den anderen. Im Konglomerat mit den Unterlagen und dem Briefing entsteht so eine explosive Mischung, die meist zu einem Re-Briefing führt.

Einswerden

Dieser anfängliche Prozess ist ein Einswerden mit der Aufgabe. Sie durchdringt jeden meiner Blicke, jeden meiner Gedanken. Wenn mehrere Projekte auf dem Tisch liegen, kreuzen sie sich, ergänzen sich, erfreuen sich aneinander. Der Schreibtisch und die Umgebung muss vorher allerdings aufgeräumt und leer sein. Sauber, frisch. Der Raum der Möglichkeiten fordert die Freiheit von jeglichen Ablenkungen. Keine E-Mails, keine SMS, kein Internet. Für manche klingt das befremdlich – für die Kreativität ist das wichtig. Die beste kreative Strategie ist der offene, leere Raum (der kein Raum ist). Ein Leersein von Gedanken und Überflüssigem. Ein Ankommen in der Aufgabe im Jetzt.
Ähnlich einem leeren Blatt Papier, welches mit Skizzen oder Texten gefüllt werden will. Ist das Papier voll, wird das neu Geschriebene nur eine neue weitere Schicht sein, verschwimmt mit altem und wird unlesbar, bis hin zur Unbrauchbarkeit. Ist der Kopf voll, können neue Gedanken nicht Einlass finden. (mehr in meinem Buch formatio naturalis)

Kreative Selbstfürsorge

Die äußere Aufgeräumtheit hilft, auch innerlich geordnet zu werden – aber hilft nur. Man kommt nicht umhin, auch die innere Bereitschaft zu öffnen, sich auf Neues einzulassen, also Altes, Bekanntes und Konditioniertes loszulassen. Immer und immer wieder. Eine ständige Selbstreflektion ist gefragt. Eine Pflege der Leere, des Zwischenraums.
Ähnliches gilt für das Zeichnen. Hier hilft ständiges Üben – am besten ohne Auftrag. Welches Medium, ob Bleistift, Pinsel oder Kugelschreiber, für das eigene Training genutzt wird, ist dabei unwichtig. Wichtig ist das Einlassen, sich dem Werden hingeben und das Dranbleiben. Ein ständiges Skizzieren, Sketching oder Malen ist die gesunde Selbstfürsorge für Designer*innen und das Fundament für das Vertrauen, um sich völlig angstfrei immer wieder auf’s Neue dem leeren Blatt Papier zu widmen. Übrigens gilt das nicht nur für Designer*innen – im meinen Trainings, Coaching oder Innovationsworkshops (wie immer sie genannt werden) liegt hier ein unglaubliches Potenzial und überrascht immer wieder die Teilnehmenden. (siehe auch Kreative Prozesse neu denken)

Sichtbar und verständlich

Und doch wird schon während dem Sammeln an Informationen eine forschende Haltung eingenommen. Ob im Industriedesign oder der Markenentwicklung, es werden Funktionen, Strukturen, Mitbewerber und gesellschaftliche Trends (alles was zur klassischen Recherchearbeit dazugehört) hinterfragt, geschüttelt und neu zusammengesetzt. All das ist ein notwendiger Weg, um mit neuen konzeptionellen Impulsen zu punkten. Sammeln, Selbstreflexion, Skizzieren und der leere Raum, all das passiert parallel.

Erst dann fängt die sichtbare Arbeit an. Und diese dauert oft recht lange. Denn während der Ausarbeitung einer Idee, einer Richtung, läuft die ständige Überprüfung, ob die Funktionen, Briefing und Nachhaltigkeit erfüllt werden. Hier sind wiederkehrende Treffen mit allen Akteuren förderlich und notwendig. Design wird dann zur Brücke, die Designerin zur Brückenbauerin. Es geht vor und zurück, rechts und links, bis der Weg gerade wird. Ein weiterer, oftmals unterschätzter, Punkt ist die Präsentation mit ihrem ganz eigenen Prozess. Hier müssen Worte für die gesamten Gedanken, für das Unausprechbare gefunden und in Argumente verpackt werden, um den Auftraggeber zu überzeugen. Und hier werden die Grundlagen für das Marketing geliefert (soweit ein Unternehmen ganzheitlich arbeitet). Wird das Konzept angenommen, kann der nächste Prozess der Implementierung einsetzen.

Umsetzung

Spätestens jetzt wird die Kreative zur Projektmanagerin und Coach. Jetzt müssen alle Akteure sich in die gleiche Richtung bewegen. Erläuterungen, warum und weshalb, so und nicht anders, Bedürfnisse abchecken und eingliedern – kurz, Beziehungen festigen, die in der Ausarbeitung begonnen wurden. Dass alle Akteure in dem Prozess übereinstimmen ist ein wichtiger Aspekt für das Gelingen des Zeitplans, des verlässlichen Zuarbeitens und der regelmäßigen Kommunikation – und ganz besonders für das Ergebnis und den monetären Erfolg!

 

Skizze Lichtspiel ©designkunst 2021

 

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