Trauer um Prof. Klaus Lehmann
“Können Sie Ski-fahren?”
Diese Frage von Prof. Lehmann fehlte in keinem Interview für die Aufnahme im Fachbereich Produktgestaltung an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart. Denn es war eine freiwillige Pflicht, für eine paar Tage gemeinsam einmal jährlich in einer Hütte ohne Strom oder Heißwasser auf den Brettern den Berg hinunterzurutschen. Ski-fahren, Schneespaziergänge bei Nacht, kochen, essen und spielen – alles war dabei! Wir, die wenigen weiblichen Studierende wurde vom Werkstattleiter Hans Huber verwöhnt, indem er uns frühmorgens unseren Schlafraum befeuerte. Heizung? Gab es nicht.
Ski-fahren war das eine, Bodmann das andere. Ebenfalls jährlich ging es für eine Woche an den Bodensee. Hier wurde allerdings gearbeitet. Zeichen- oder Farbworkshops standen auf dem Programm. Alles fand auf einem riesigen Tisch im Garten statt. Auch hier galt die Selbstversorgung. Unsere Kreativität wurde also in vielen Richtungen gefordert.
Nicht nur die wiederkehrenden gemeinsamen Wochen lassen mich meine Studienzeit in bester Erinnerung behalten. Es war auch die fundierte und umfassende Ausbildung. Professor Klaus Lehmann mag mit seinen Designarbeiten nicht auf hohen Podesten gestanden haben, aber als Lehrender prägte er Generationen von ausgezeichneten Designer*innen. Seine Liebe für die Gute Form und sein Bestreben im Sinne des Werkbunds, ethische Gesinnung mit der guten Formgebung zu vereinen, gab er an uns weiter. Er forderte uns bei den Semesterarbeiten ebenso wie beim Kochen oder Tischdecken. Was noch heute meine Arbeitsweise bestimmt, und ich ihm oftmals still und leise meinen Dank schickte, sind seine unaufhörlichen Wiederholungen von Zeitplan, Funktionsanalyse und Sachlichkeit in der Designkritik. Das Wort ‘design thinking’ gab es damals nicht, aber der Weg war der gleiche, wenn nicht tiefer. ‘Nachhaltigkeit’ als Begriff gab es ebenso wenig, dafür standen Reparaturfähigkeit und Materialtrennung für die Entsorgung immer in der Aufgabenstellung. Pfeife rauchend – ja damals durfte noch geraucht werden (für Nichtraucher wirklich eine Herausforderung) förderte er uns als Team zu agieren, obwohl jeder Einzelne sein eigenes Projekt erarbeitete, und förderte die inhaltlichen Diskussionen. Einzelunterricht gab es bei ihm nicht. Auch bei der Diplomarbeit hielt er sich streng an die Regeln: exakt 4 Monate, keine Vorarbeit war zugelassen und genau 2 Gespräche mit ihm. Heute würde ich sagen, er war wie ein Vater als Respektsperson oder der Kopf, der die Richtung vorgab. Die Seele des Lehrstuhls allerdings verkörperte der Werkstattleiter Hans Huber. Gemeinsam ergänzten sie sich zu einer der besten Designausbildungen der damaligen Zeit.
Wer war Prof. Klaus Lehmann?
Klaus Lehmann studierte in der Metallklasse an der Kunstakademie Stuttgart bei Hans Warnecke, der Lehmann die Ideen des Bauhauses nahe brachte. Mit einem Stipendium der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ ging er nach London und arbeitete bei Pentagram und Allied International Designers. 1966 folgte er dem Ruf an die Akademie der Künste in Stuttgart als Professor für Produktgestaltung. Auch wenn er nebenbei als freier Designer arbeitete, wurde die Lehrtätigkeit zu seiner Berufung. So reiste er auch als Gastprofessor um die Welt. Durch einen ehemaligen Gaststudent, Liu Guanzhong, der während meiner Zeit an der Akademie studierte, ging er bis nach China. Noch im November 2016 stellte er sein Buch „Teaching Design – Design Teaching“ dort vor.
Für die Staatliche Akademie war Klaus Lehmann jedoch noch mehr als nur ein Professor, denn er prägte deren Geschicke 1988-91 als Prorektor und 1994-98 als Rektor.
Prof. Klaus Lehmann, geb. am 3. April 1934 in Lörrach ist am 25. August 2021 in Stuttgart verstorben.
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